Dienstag, 11. Januar 2011

Merkels Besuch in Zypern: Unerträglich einseitig

Bereits im Vorfeld des Besuchs war berichtet worden, dass Merkel aus diplomatischer Rücksicht die Grenze zwischen der Republik Zypern im Süden und der Türkischen Republik Nordzypern nicht überschreiten werde. Als Entgegenkommen, so berichtet etwa der „Boulevard Baden“, habe die Kanzlerin im deutschen Goethe-Institut Studenten beider Seiten getroffen. Was dann als Statement der Kanzlerin folgte, war zwar zu erwarten gewesen, ist aber schlicht unglaublich einseitig. Nach ihrem Gespräch mit dem zyperngriechischen Staatschef Ex-Kommunist Christophias betonte sie, dass die Bundesrepublik weiter hinter dem EU-Mitglied Zypern (also der für ganz Zypern sprechenden Regierung im Süden) stehe. Die Kanzlerin erkenne die Kompromissbereitschaft der Republik Zypern an, betonte, man könne dies bei der Gegenseite jedoch nicht erkennen. Dies berichtet unter anderem die „Deutsche Welle“. Dass die Kanzlerin die Türkei auffordert, mehr Bewegung zu zeigen, macht im Grunde nur eines deutlich: Der Kanzlerbesuch auf Zypern wurde missbraucht um die ablehnende Haltung der CDU-Chefin gegenüber dem EU-Beitrittsgesuch der Türkei zu verdeutlichen. Es ist beschämend, dass sich die Kanzlerin nicht einmal die Version der türkischen Zyprer anhört. Ein Treffen im Hauptquartier der VN etwa wäre durchaus denkbar gewesen. Für die Zyperntürken, die seit 1964 von der internationalen Staatengemeinschaft allein gelassen werden, war dieser Kanzlerbesuch ein erneuter Schlag ins Gesicht. Dass die Kanzlerin als CDU-Chefin keine anderen Worte finden würde, war im Grunde nicht zu erwarten. Die deutsche Botschaft in Nikosia ist seit Jahrzehnten wenig objektiv, was das politische Geschehen auf der Insel anbelangt. Dies bemängelte zuletzt auch ein Botschafter a.D., der früher selbst einmal auf Zypern tätig war. Dabei hatte der erste deutsche Botschafter nach der Unabhängigkeit der Insel von den Briten in seinem Bericht nach Bonn im Jahr 1964 festgehalten, dass die türkische Bevölkerung „unsagbare Leiden“ erdulde. Davon ist wenig übrig geblieben, Merkel hat sich heute in Nikosia zum Sprachrohr derer gemacht, die aus Bequemlichkeit, Unwissenheit oder Machtkalkül den Zypernkonflikt auf eine „Invasion türkischer Truppen im Sommer 1974“ reduzieren. Die deutsche Kanzlerin hat möglichen Kredit als Vermittlerin in diesem Konflikt nach diesem Besuch verspielt. Das Vertrauen der türkischen Zyprer in die EU und in die Bundesrepublik wird weiter schwinden. Es ist ein weiterer Nadelstich gegen die Menschen in Nordzypern. Erst nach den Präsidentschaftswahlen im Norden im Frühjahr 2010 war darauf hingewiesen worden, dass das Auswärtige Amt diese Wahlen in Anführungszeichen setzte und den Inseltürken damit sogar die Legitimation absprach, eigene Wahlen durchzuführen. Hier wird der Inselnorden sogar anders behandelt als Taiwan. Die deutsche Politik hat sich nach Merkels Besuch erneut in diesem Konflikt einseitig gezeigt. Und wer die Wiedervereinigung in Deutschland als Vorbild für Zypern sieht, der hat den Konflikt nicht verstanden bzw. verstehen wollen.