Sonntag, 15. Januar 2012

Nordzypern verliert großen Wegweiser

Rauf Denktaş ist tot. Er starb am vergangenen Freitag im Alter von 87 Jahren an den folgenden eines Organversagens im Universitätsklinikum der Stadt Lefkoşa. Auf Nordzypern wurde eine einwöchige Staatstrauer ausgerufen. Am Dienstag soll unter Beisein der türkischen Staatsspitze und aller Vertreter der türkischzyprischen Gesellschaft ein Staatsbegräbnis stattfinden. Denktaş, der seit den 1940er Jahren als Jurist und bald darauf auch politisch tätig war, beherrschte die türkischzyprische Politik ein halbes Jahrhundert lang. Seine konsquente Haltung in der Zypernfrage brachte ihm selbst in einigen Nachrufen in deutschen Medien den Titel "Spalter" von Zypern ein. "Dies geht in der Sache aber weit an dem vorbei, was Denktaş Zeit seines Lebens antrieb", betonte TRNC-Repräsentant Uli Piller. Denktaş habe die Eigenständigkeit seiner Zyperntürken vorangetrieben und diese bereits 1959/60 in den Verträgen von Zürich und London durchsetzen können. Er war es, der als Verhandlungsteilnehmer damals den Status der Zyperntürken als gleichberechtigte Partner in der Republik Zypern erreichte. Die Teilung Zyperns war dann aber Folge des Akritas-Plans und des Putsches gegen Makarios III. 1963/64 bzw. 1974. Dass Denktaş seine Volksgruppe in Sicherheit wähnen wollte, seine Antriebskraft auf die Rückgewinnung der erlangten Eigenständigkeit verwendete, wurde ihm später als "Starrhalsigkeit" ausgelegt. Ihm wurde das Scheitern der Verhandlungen angelastet. Späte Genugtuung hätte sein können, dass auch der politisch sozialdemokratisch orientierte Staatspräsident Mehmet Ali Talat Denktaş' Verhandlungsstil fortsetzte und keine Einigung mit den Zyperngriechen zustande kam - eine Tatsache, die die meisten Kommentatoren heute in ihren Nachrufen auf Rauf Denktaş einfach ignorieren. Denktaş erkannte früh, dass bei Beibehaltung seiner Prinzipien eine Einigung mit den Zyperngriechen, die aus Sicht der Inseltürken den Titel "Regierung von Zypern" illegal erlangt hatten, nicht zu erzielen sei. Die Aufgabe der Prinzipien Gleichberechtigung und möglichst große Eigenständigkeit aber konnte Denktaş nicht aufgeben. Bis heute bleiben die Übereinkommen zwischen ihm und Makarios III. Grundlagen der Verhandlungen. 1983 überzeugte er das türkischzyprische Volk und forsierte die Proklamation der TRNC. Er wurde erster Staatspräsident und blieb es bis 2005. Damals wandte sich ein Teil der Zyperntürken von seiner Politik ab. Viele erkannten aber bald, dass auch eine neue Verhandlungsführung unter Talat keinen Fortschritt erbrachte. Denktaş war bis zuletzt aktiver und mahnender Teil der türkischzyprischen Gesellschaft. Seine persönliche Biographie brachte eine starke Verbundenheit mit dem türkischen Mutterland. Die Fotographie war seine große Leidenschaft. Ausstellungen konnte man rund um den Erdball sehen. Denktaş veröffentlichte zudem zahlreiche Bücher und Schriften zur Zypernfrage, die er gerne mit einer Analogie aus der Medizin beschrieb: Nur weil ein Arzt Symptome erkennt und diese behandelt, hat er noch lange keine umfassende Diagnose über die Krankheit gestellt. "Ich habe ihn zuletzt im April 2011 gesprochen und Rauf Denktaş als sehr geradlinigen und analytischen Menschen erlebt", sagt Piller.